Daniel Hagari & Omer Wenkert in Zürich
«Ich überlebte 505 Tage in Gaza»
Man sieht ihm nicht an, durch welche Hölle er ging. Omer Wenkert, der im Februar 2025 nach 505 Tagen Geiselhaft in Gaza freigelassen wurde, schilderte am letzten Montagabend im grossen Saal der ICZ eindrücklich seine Erlebnisse. Am 7. Oktober 2023, als er mit seiner Jugendfreundin und vierzig anderen Nova Festival Teilnehmern zusammengepfercht in einem Bunker vor den herannahenden Terroristen Schutz suchte, hatte er mit seinem Leben abgeschlossen. Was er in den nächsten Stunden erlebte, ist kaum beschreibbar. Er verliess den Bunker nur, um dem Feuer zu entkommen und im vollen Bewusstsein, dass er draussen ermordet würde. Eine Entführung nach Gaza hatte er gar nicht in Betracht gezogen.
Die 250 Gäste, die ihm gebannt zuhörten, erfuhren, wie Omer während den schlimmsten Monaten in kompletter Isolation seine innere Stärke mobilisierte, um seinen Verstand nicht zu verlieren. Aber auch von Erniedrigungen und brutalsten Prügeln berichtete Omer. Er erzählte vom strukturierten Tagesablauf, den er und seine Leidgenossen, die die letzten Monate in den Tunnels mit ihm verbrachten, einhielten, um sich wie Menschen zu fühlen. Und schliesslich schilderte er seine Freilassung, seinen Sieg. Das Publikum erhob sich zu einer Standing Ovation, überwältigt von der Stärke, welche der erst 24-jährige Omer ausstrahlt.
Wie wichtig Projekte für die Heilung langfristiger psychischer Schäden sind, unterstrich Tali Scheiner, Präsidentin Keren Hajessod Zürich, als sie das Programm Shavim vorstellte. Dieses hilft Reservisten nach deren Rückkehr von der Front eine PTSD- Erkrankung zu verhindern und den Wiedereinstieg in den Alltag zu finden. Das Ausmass der langfristigen Auswirkungen auf die Psyche der von Trauma Betroffenen zeigt sich derzeit in der traurigen Zunahme von Selbstmorden in Israel.
Danach trat Flottillenadmiral Daniel Hagari, ehemaliger Pressesprecher der israelischen Armee, auf die Bühne. Zu Beginn des Krieges war er seit einigen Monaten im Amt, doch nichts hatte ihn auf den 7. Oktober 2023 vorbereitet. Durch seine Schilderungen wurde deutlich, welch komplexe, beinahe unmögliche Aufgabe ihn erwartete. Das Chaos, die widersprüchlichen Informationen und fehlende Antworten musste er in überzeugende Statements umwandeln, um der israelischen Gesellschaft das Gefühl der Sicherheit zu geben und ihr Vertrauen in die Armee wieder herzustellen. Dies hatte er sich noch am Tag des Angriffs zum obersten Ziel gemacht. Dazu kam der plötzliche Ansturm der internationalen Medien. Und immer wieder musste er mit Fakten Fehlinformationen widerlegen, um das negative Narrativ so schnell wie möglich zu korrigieren. Auch über die Reichweite seiner Auftritte wurde er sich erst allmählich bewusst. So erfuhr er nach der Freilassung der ersten Geiseln, dass auch diese in Gaza seine Pressekonferenzen sahen. Danach versuchte er, den verbleibenden Geiseln durch seine Aussagen versteckt Mut zuzusprechen. Auch nach seinem Vortrag stand das Publikum ergriffen auf.
Das Singen der Hatikva schloss diesen denkwürdigen, aber auch inspirierenden Abend ab.